Ein interkultureller Abend für alle: Iftar an der Ruhr-Universität Bochum

Beitrag: Nele Hülshorst | Titelbild: Nele Hülshorst

An einem Abend zum Ende des Wintersemesters erstrahlte die Hauptmensa an der RUB in einem besonderen Glanz. Die Tische standen in Reihen angeordnet, mit Plätzen für jeweils acht Personen. Gedeckt waren sie mit blauen Servietten aus schwerem Stoff, Weingläsern, Wasserflaschen und süßen Vorspeisen. Diese, für mich zumindest, ungewohnte Erscheinung der Mensa hatte einen besonderen Anlass, denn der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) und das Autonome Ausländer:innen Referat (AAR) luden zum 16. Mal zum Interkulturellen Abendessen ein. Es wurde Iftar gefeiert, das allabendliche Fastenbrechen im Ramadan. Ich habe daran teilgenommen und lade euch hiermit ein, diesen Abend mit mir Revue passieren zu lassen.

Hunger und Erwartungen

Ich kam an diesem kühlen Frühjahrsabend an der RUB an und traf mich mit meiner Freundin Alina, die ebenfalls an der RUB studiert und mich zum interkulturellen Abendessen begleitete. Es war ein windiger und kalter Tag, weshalb wir direkt die Mensa ansteuerten. Und wir waren bei weitem nicht die einzigen mit diesem Ziel.

Vor dem Seiteneingang zur Mensa hatte sich bereits eine Schlange gebildet. Viele (vermutlich) Hungrige warteten auf Einlass. Im Flur, direkt neben der Tür, stand ein Tisch, an dem zwei Helfer:innen zunächst die Tickets einscannten und weiße Bändchen aushändigten, die sofort den Weg an unsere Handgelenke fanden. Eine Abendkasse gab es nicht. Seit ein paar Jahren werden die Tickets, zwecks besserer Planung und der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, nur noch im Vorverkauf vertrieben.

Wir waren beide sehr gespannt, was dieser Abend für uns bereithielt. Ich hatte zudem ordentlich Hunger mitgebracht, weil ich das Mittagessen ausgelassen hatte. Mir drängte sich der Gedanke auf, dass viele Anwesende heute wahrscheinlich noch gar nichts gegessen oder getrunken hatten. Als nicht-gläubiger Mensch habe ich selbst Fasten bisher nur als Abnehm-Trend am eigenen Leib erfahren, nicht aber als religiöse oder spirituelle Praktik.

Mit unseren Bändchen am Handgelenk ging es zunächst in den Kassenbereich, wo sich kleine Grüppchen sammelten. Wie wir feststellten, wurden nämlich nur vollständige Gruppen, die zusammen am Iftar teilnehmen wollten, zu ihren Plätzen im Essenssaal geführt. Da wir nur zu zweit waren, nutzten wir die erhöhte Position des Kassenbereichs nur kurz, um die Mensa in ihrem Festgewand zu betrachten.

Vorfreude und Festtagsglanz

Nachdem wir von einem weiteren Helfer zu einem Tisch gebracht wurden, setzten wir uns an die Fensterplätze des Tischs. Ich ließ den Blick schweifen, noch war die Mensa größtenteils leer. Der Himmel draußen zeigte sich wolkenverhangen.

Alina und ich kamen ins Plaudern und unterhielten uns über allerlei, was uns in der vorlesungsfreien Zeit beschäftigt hatte – Hausarbeiten und Prüfungen hielten uns in Atem. Die Speisekarte des heutigen Abends wurde auch schnell Thema. Es gab drei Gänge, jeder Gang bot auch eine vegane Option. Darüber freute sich Alina als langjährige Veganerin besonders, aber auch ich als Omnivore hatte es nicht schwer, mich zu entscheiden. Kürbiscremesuppe, Süßkartoffel-Paprikacurry mit Reis und dunkle Mousse au Chocolat – lecker und bis auf den Nachtisch alles vegan.

Die vollbesetzte Mensa | Foto von Nele Hülshorst

Während wir versunken in unser Gespräch und die Auswahl des Essens waren, füllte sich unser Tisch und auch der gesamte Essenssaal sehr zügig, sodass nach circa einer Stunde alle Tische besetzt waren. Auf Anfrage wurde mir mitgeteilt, dass sich an diesem Abend um die 900 Besucher:innen zum Iftar getroffen und zusammen gefeiert haben. Der Raum füllte sich nicht nur mit Menschen, sondern auch mit dem Geruch warmer Speisen. Es roch nach einer Mischung aus herzhaft und fruchtig, fast süßlich. Eine Beschreibung fiel uns schwer. Ist das etwa Zimt? Oder Ingwer? Wir waren uns in jedem Falle einig, dass dieser fantastische Geruch dem Hunger nun jede Tür geöffnet hatte und das Magengrummeln nicht mehr zu verhindern war.

Der Himmel war in der Zwischenzeit aufgeklart. Die Lichtstimmung, die durch einen goldenen Sonnenuntergang, draußen wie auch in der Mensa, erzeugt wurde, verlieh dem Ganzen ein zusätzliches, feierliches Leuchten. Die Geräuschkulisse war ein großes Gemurmel unterschiedlicher Sprachen und geselligem Lachen.

Beten und Besinnlichkeit

Als dann ein junger Mann das Wort ergriff und sich, durch ein Mikrofon verstärkt, an die Menge wandte, ergriff eine freudig gespannte Stille den Raum. Im Namen der veranstaltenden Organisationen wurden wir begrüßt und kurz in den Ablauf eingewiesen. Die Tische seien in Gruppen zusammengefasst, die aufgerufen werden, wenn sie sich zum Buffet begeben dürfen. Auf diese formale Ansprache folgte ein gesungenes Gebet. Die Stimmung war andächtig. Alle Anwesenden ruhten in sich, lauschten den arabischen Worten und der musikalischen Begleitung.

Eine interkulturelle Mensa-Erfahrung

Darauf folgte das Fastenbrechen. Die plötzliche Bewegung im ganzen Raum ließ das vorangegangene Prozedere wirken, wie die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Die ersten Tischgruppen standen auf und gingen zur Essensausgabe. An unserem Tisch wurden die Wasserflaschen geöffnet und die Gläser befüllt. Die Datteln und Baklava haben wir erstmal links liegen lassen. Als unser Tisch aufgerufen wurde, gingen wir zum Buffet und holten uns unsere drei Gänge.

Das war, entgegen allem anderen an diesem Abend, eine typische Mensa-Situation: das Essen wird aus großen metallenen Wärmebehältern auf weiße Teller geschaufelt, viele Leute mit Tabletts in langen Schlangen, manche laufen etwas verwirrt und mit suchendem Blick durch die Gegend. Wieder an unserem Tisch angekommen, konnten wir schlemmen und dem Magengrummeln ein Ende setzen.

Das gemeinsame Essen

Die meisten an unserem Tisch starteten mit der Kürbissuppe. Von den Schalen und Löffeln stieg leichter Dampf auf, der verriet, wie heiß die Suppe war. Ich hörte überraschte Ausrufe, als einige am Tisch entdeckten, dass unten in die Tasse Kürbiskerne eingestreut waren. Das Curry mit seinen verschiedenen Gemüsesorten erfreute sich bei Alina und mir besonderer Beliebtheit. Die Gemüsestückchen waren nicht verkocht, sondern hatten noch Biss. Die Mousse au Chocolat zum Abschluss hat mich ebenfalls begeistert. Die leichte Bitterkeit der dunklen Schokolade war nach dem würzigen Curry genau das Richtige. Nachdem alle Nachtische verputzt waren, stellte sich zum Teil schnell Aufbruchsstimmung ein. An unserem Tisch standen die anderen Personen fast sofort nach dem Essen auf und brachten ihre Tabletts zu den Servierwagen.

Wir blieben noch etwas sitzen und ich blickte erneut durch den Saal und über die verbliebenen Menschen, die zusammen lachten und eine schöne Zeit zu verbringen schienen. Draußen war es inzwischen dunkel geworden.

Nachdem Alina und ich uns noch an den übrigen Baklavas und Datteln gütlich getan hatten – ein Nachtisch nach dem Nachtisch quasi – haben wir uns auf den Heimweg gemacht. Auf dem Weg nach draußen sind wir auch an der Gebetsecke für die Frauen vorbeigekommen, die gerade auch von einigen genutzt wurde. Beim Blick durch das Fenster, wo man sonst die langen Tischreihen der etwas höher gelegenen Plätze in der Mensa sehen kann, konnte man nun eine freie Fläche erspähen. In der Mitte waren Tücher oder Decken ausgebreitet. Um diese herum standen mehrere Frauen und beteten mit den Händen vor der Brust. Entgegen unserer Neugierde wendeten Alina und ich unsere Blicke wieder nach vorn in Richtung des Treppenaufgangs. „Mich würde ja schon interessieren, wie so ein Gebet abläuft“, sagte ich zu Alina, die mir prompt zustimmte und lachend einwarf: „Aber da jetzt am Fenster zu stehen und zuzuschauen ist super respektlos.“ Ich lachte und nickte. Dabei denke ich darüber nach, wie man auf eine respektvollere und wertschätzende Art und Weise unsere interkulturelle Neugierde stillen könnte.

links Baklava, ein süßes Blätterteiggebäck mit Pistazien; rechts Datteln | Foto von Nele Hülshorst

Warum ein solcher Abend wichtig ist

Das Interesse an einer derartigen Veranstaltung an der RUB ist ungebrochen groß. Wie mir berichtet wurde, blieben die Zahlen über die letzten Jahre weitestgehend konstant. So haben sich im letzten Jahr circa 1000 Leute versammelt, um zusammen das Fasten zu brechen.

Auch wenn es beim Fastenbrechen um eine islamische Tradition geht, sind Menschen aller Glaubensrichtungen willkommen. Nach Angaben des AStA ist das interkulturelle Abendessen die größte Veranstaltung dieser Art auf unserem Campus und bildet einen festen Bestandteil des (inter-)kulturellen Lebens an der RUB. Das gemeinsame Essen bietet Raum für Austausch zwischen Student:innen, Angehörigen der Universität und allen anderen interessierten Besucher:innen.

Mir ist es wichtig, nochmal hervorzuheben, dass die Interkulturalität an diesem Abend nicht durch die Veranstalter:innen hervorgebracht wird, sondern durch die Teilnehmenden. Der Austausch mit anderen kann nur stattfinden, wenn ich selbst dazu bereit bin. Mit diesem Wissen werde ich im nächsten Jahr wieder am interkulturellen Abendessen teilnehmen. Abschließend bleibt mir nur zu sagen, dass ich die Atmosphäre an dem Abend sehr genossen habe. Auch den geneigten Leser:innen empfehle ich einen Besuch.