Beitrag von Jan-Niklas Dalley
Weltweit gibt es über 130 verschiedene Gebärdensprachen und mehr als 20.000 Gebärden. Hinzu kommen regionale Dialekte, welche die Kommunikation erschweren können. Da fällt der Einstieg schwer. Das Modul „Einführung in die Gebärdensprache und die Welt der Gehörlosen“, das im Optionalbereich angeboten wird, soll Abhilfe schaffen. Es werden erste Grundlagen der Deutschen Gebärdensprache (DGS) vermittelt.
„Gebärdensprache an für sich ist einfach, es wird nur schlecht unterrichtet“, meint der Lehrbeauftragte Peter Pawelzig, der das Angebot an der RUB betreut. Er selbst ist mit gehörlosen Eltern aufgewachsen und musste sich bereits im frühen Kindesalter mit Gebärden verständigen. „Das ist meine Muttersprache“, erklärt Peter Pawelzig. In vielen Kursen hätten es Sprachinteressierte schwer, da vor allem zu Beginn kompliziert unterrichtet werde. Er behauptet: „Wir unterhalten uns zwei Stunden über Gebärdensprache — die Betonung liegt auf, wir unterhalten uns — dann kannst du Gebärdensprache, ohne, dass ich dir Gebärden gezeigt habe. Du gebärdest, ohne es zu wissen.“ Bei Tierbegriffen oder Wörtern wie Essen und Trinken lassen sich Gesten schnell selbst erschließen, da diese sehr einfach gehalten sind. Viele weitere sind sofort erkennbar. Die Sprache ist in vielen Fällen selbsterklärend: „Wenn man sich bewusst macht, dass das Gebärdensprache ist, dann lernt man Gebärdensprache anders.“
Mehr als „eine“ Sprache
Erst im Jahr 2002 wurde die Gebärdensprache als offizielle Sprache in Deutschland anerkannt. Zudem gibt es in Europa verschiedene Gebärdensprachen, die artverwandt sind. Die Deutsche Gebärdensprache, die auch in Belgien und Luxemburg „gesprochen“ wird, deckt sich in einigen Teilen mit der Hebräischen. Regional können sich Gesten ähneln, jedoch komplett unterschiedliche Begriffe abbilden. Die Geste für „Kinder“ und die Geste, die häufig in Bayern für „Ich fühle mich unwohl“ verwendet wird, gleichen sich stark. Daher ist ein Ziel des Moduls, ein erstes Gefühl für die Sprache und ihre Besonderheiten zu entwickeln.
„Alles, was im Modul passiert, bleibt auch im Modul.“
Eine Sache war dem Sozialpädagogen besonders wichtig: „Alles, was im Modul passiert, bleibt auch im Modul“, sagt Herr Pawelzig. Denn nur so würden sich die Studierenden schneller öffnen und sich mehr zutrauen. Das Angebot soll in erster Linie Spaß an der Gebärdensprache bringen. Das wird an den Prüfungsleitungen deutlich, die im zweisemestrigen Modul erbracht werden müssen. Neben einem Referat steht ein künstlerischer Vortrag auf dem Prüfungsplan — beides natürlich in Gebärdensprache. Thematisch haben die Studierenden freie Hand. So bekamen die Studierenden bei den vergangenen Prüfungen Lieder vorgeführt und realisierten Märchenerzählungen. Zudem müssen pro Semester acht Sitzungsprotokolle angefertigt werden.
Probleme und Alltagshürden von Gehörlosen
Im Rahmen des Moduls im Optionalbereich soll auch ein Gefühl für die Behinderung vermittelt werden. Sich bei einer Unterhaltung mit einem gehörlosen Menschen wegzudrehen, stört die Kommunikation massiv, da Gesten schwieriger wahrzunehmen sind — ein deutlicher Unterschied zum lautsprachlichen Gespräch, wo die Kommunikation weniger stark beeinflusst wird. „Man lernt, auf die Kleinigkeiten zu achten.“ Dadurch werden die allgemeinen Kommunikationsfähigkeiten verbessert.
Alle sollen sich im Modul selbst ein Bild davon machen, wie es ist, gehörlos zu sein. Pawelzig erzählt: „Mein Vater hat immer gesagt: Das ist die vergessene oder verlorene Behinderung. Jemand, der im Rollstuhl sitzt, das sieht man. Jemand, der geistig behindert ist, das merkt man recht schnell.“ Die erschwerte Kommunikation mit Gehörlosen falle hingegen nicht direkt auf. Neben der Geschichte der Gebärdensprache wird während des Moduls auch auf Hürden des Alltags eingegangen. „Gehörlose haben inzwischen einen Anspruch auf einen Behördendolmetscher. Aber wenn du keinen bekommst, da zu wenige da sind, wie willst du den Anspruch durchsetzen?“
Herr Pawelzig hat sich zum Ziel gesetzt, bei den Studierenden Interesse am Gebärden zu wecken. Wie das gelingt, weiß er genau: „Das Wichtigste ist, dass jeder Spaß hat.“ Informationen und Modalitäten zu diesem Modulangebot des Optionalbereichs gibt es hier.