Campusnah, bezahlbar und barrierefrei? Mangelware! – Ein Interview zur Relevanz barrierefreien Wohnraums für Studierende mit Behinderung

Autor: Jenson Göb | Titelbild: katermikesch

Interview mit Michaela Kusal, Inklusionsberaterin beim AKAFÖ & Beauftragte für die Belange Studierender mit Behinderung und/oder chronischen Erkrankungen an der RUB, geführt von Jenson Göb

Das Studium als neuer Lebensabschnitt bringt so einige neue Eindrücke mit sich. Neben dem Kennenlernen neuer wissenschaftlicher Perspektiven und nicht zuletzt dem Schließen neuer Bekanntschaften und Freundschaften, geht für viele junge Menschen mit dem Studienbeginn auch ein Auszug aus gewohnten Gefilden in eine eigene Wohnung oder WG einher. Doch welche Besonderheiten und Herausforderungen stellen sich dabei, wenn man aufgrund einer Behinderung oder chronischen Erkrankung nicht in eine kleine Dachgeschosswohnung oder ein WG-Zimmer im 4. Stock ohne Fahrstuhl ziehen kann? Darüber habe ich mit Michaela Kusal, der Inklusionsberaterin vom Akademischen Förderungswerk Bochumer Hochschulen (AKAFÖ) und Beauftragten für die Belange von Studierenden mit Behinderung und / oder chronischen Erkrankungen an der RUB, gesprochen.

Michaela Kusal in ihrem Büro im Beratungszentrum für Inklusion (BZI) an der RUB
Foto: Jenson Göb

Jenson Göb: Hallo Frau Kusal, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit mir über die Bedarfe und Besonderheiten hinsichtlich barrierefreien Wohnraums für Studierende in Bochum zu sprechen. Zunächst einmal die Frage: Was macht barrierefreien studentischen Wohnraum denn überhaupt aus und welche Aspekte sind zu beachten?

Michaela Kusal: Grundsätzlich unterscheidet sich barrierefreier Wohnraum für Studierende erstmal nicht von barrierefreiem Wohnraum für andere Menschen mit Behinderung. Zum einen ist dabei die Zugänglichkeit relevant: Die Wohnung oder das Zimmer muss stufenlos zugänglich sein und auch genügend Platz bieten, damit zum Beispiel Rollstuhlfahrende problemlos wenden oder Hilfsmittel wie beispielsweise ein Duschstuhl untergebracht werden können. Zum anderen bezieht sich Barrierefreiheit nicht nur auf mobilitätseingeschränkte Menschen, sondern auch auf Menschen mit Sinnesbeeinträchtigung wie Gehörlose oder Menschen mit einer Sehbehinderung. Für diese ist dann beispielsweise eine kontrastreiche Gestaltung des Wohnraums notwendig, damit eine räumliche Tiefe entsteht und Personen, die in ihrer Sehfähigkeit eingeschränkt sind, sich gut zurechtfinden. Darüber hinaus kann es für Personen, die aufgrund ihrer Behinderung oder chronischen Erkrankung geräusch- oder lichtempfindlich sind, wichtig sein, dass Räume gut schallisoliert sind, oder es ist die Nutzung eines eigenen Badezimmers erforderlich. Es gibt also viele Sachen, an die man nicht sofort denkt, die aber für (eingeschränkt) barrierefreies Wohnen Berücksichtigung finden sollten. Ein Spezifikum für studentisches Wohnen ist bei Studierendenwohnheimen, dass auch alle Gemeinschaftsflächen nach barrierefreien Standards ausgerichtet sein sollten. Gemeinschaftsküchen, Aufenthaltsräume, Balkone und Terrassen oder gemeinschaftliche Grillplätze sollten demnach auch für alle Bewohner*innen zugänglich sein.

Jenson Göb: Welchen Stellenwert hat campusnaher barrierefreier Wohnraum für Studierende denn generell für die Inklusion an Hochschulen?

Michaela Kusal: Die Relevanz ist enorm. Studierende mit Behinderung haben mitunter einen besonderen Bedarf an campusnahem Wohnraum, weil der Zugang eine ganz große Rolle spielt. In Bochum ist der ÖPNV immer noch nicht barrierefrei ausgebaut, obwohl das seit 2022 eigentlich eine EU-Vorschrift ist. Einige Bushaltestellen und U-Bahnstationen sind noch immer nicht barrierefrei zugänglich. Solange das nicht gegeben ist, ist die Mobilität und die Anfahrt zur Hochschule immer noch eine Barriere. Ich erinnere da an die Situation, die wir dieses Jahr im Frühjahr während der Prüfungsphase hatten. Da waren die Aufzüge der Haltestelle zur Ruhr-Universität kaputt und in der Prüfungsphase war klar, dass Menschen, die mobilitätsbeeinträchtigt sind und nicht einfach die Treppe nutzen können, nicht mit dem ÖPNV zum Campus fahren können, um ihre Prüfungen zu absolvieren. Da kann dann mitunter ein ganzes Semester verloren gehen, wenn man an einer Prüfung deshalb nicht teilnehmen kann, was wiederum Auswirkungen auf die Studienfinanzierung haben kann, wenn man BAföG bezieht. Das sind alles massive strukturelle Nachteile für Studierende mit Behinderung. Betrachtet man solche Fälle, ist campusnaher barrierefreier Wohnraum für viele Studierende mit Behinderung Voraussetzung, um hier studieren zu können.

Jenson Göb: Gibt es Richtlinien oder Standards, wie viel (eingeschränkt) barrierefreier Wohnraum von Studierendenwerken wie dem AKAFÖ zur Verfügung gestellt werden sollte?

Michaela Kusal: Beim Deutschen Studierendenwerk (DSW), dem Verband der deutschen Studierendenwerke, dem das AKAFÖ angehört, ist das Thema barrierefreien Wohnraums zwar angesprochen worden, aber es gibt keine intern verabredeten Richtlinien. Es wäre wünschenswert, dass das DSW gemeinsam erarbeitete Richtlinien vorgibt, die regeln, wie viele barrierefreie Wohnplätze beim Bau neuer Studierendenwohnheime einzuplanen sind und welche Vorgaben dafür zu beachten sind. Das würde bundesweit das Angebot an barrierefreiem Wohnraum für Studierende mit Behinderung enorm verbessern und wäre ein großer Schritt nach vorn. Derzeit ist es allerdings so, dass jedes Studierendenwerk in diesem Aspekt für sich allein agiert und eher projektbasiert entscheidet, wie viel und ob überhaupt barrierefreier Wohnraum für Studierende mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen geschaffen wird.

Jenson Göb: Das AKAFÖ betreibt eigenen Angaben zufolge mehr als 4.200 Wohnplätze, wovon knapp zwei Prozent als (eingeschränkt) behindertengerecht deklariert sind. Dem gegenüber steht ein durchschnittlicher Anteil von 15,9 Prozent Studierender mit studienerschwerenden Beeinträchtigungen an deutschen Hochschulen. Nun sind davon sicherlich nicht alle auf einen (eingeschränkt) barrierefreien Wohnplatz in Campusnähe angewiesen, doch von außen betrachtet drängt sich eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage an barrierefreiem studentischem Wohnraum auf. Wie beurteilen Sie die Lage in Bochum als Inklusionsberaterin an der Schnittstelle zwischen betroffenen Studierenden und Verfügbarkeiten des AKAFÖ?

Michaela Kusal: Leider fällt es mir schwer, diese Lage einzuschätzen, weil ich keine Informationen darüber habe, wie viele Studieninteressierte mit Bedarf an barrierefreiem Wohnraum sich vielleicht die Website anschauen und dann von einer Bewerbung auf einen Wohnplatz des AKAFÖ absehen. Was ich von unserer Beratungsfunktion ausgehend sagen kann ist, dass derzeit der gesamte barrierefreie Wohnraum belegt ist. Wir sind aktuell an dem Punkt, dass wenn sich jemand mit einer körperlichen Behinderung und Bedarf an barrierefreiem Wohnraum bei uns melden würde, wir keinen Wohnraum haben, den wir anbieten können – und das ist ein Problem. Nun muss man sagen, dass die Studierendenwohnheimplätze generell – also auch für Studierende ohne Bedarf an Barrierefreiheit – derzeit nicht ausreichend sind. Wenn wir vor dem Hintergrund der generellen Knappheit, wie von Ihnen angeführt, von einem Anteil von zwei Prozent barrierefreien Wohnraums sprechen, dann ist die Lage insgesamt schlecht, aber für die Zielgruppe der Studierenden mit Beeinträchtigung dramatisch.

Jenson Göb: Im Jahr 2022 musste das Studierendenwohnheim des AKAFÖ am Sumperkamp (nahe dem Uni-Center), das mehr als 30 barrierefreie Wohnplätze bot, wegen erheblichen Sanierungsbedarfes geschlossen werden. Welche Auswirkungen hat das aus Ihrer Beratungsperspektive für die Situation von Studierenden mit Behinderung, die Bedarf an barrierefreiem Wohnraum nahe der RUB haben?

Michaela Kusal: Mit der Schließung des Sumperkamps standen wir zunächst einmal vor der Herausforderung, diejenigen Mieter*innen mit Behinderung auf bestehenden anderen barrierefreien Wohnraum zu verteilen. Glücklicherweise entstand in dem Zeitraum ein Neubau, der ohnehin etliche Aspekte der Zugänglichkeit berücksichtigte. So konnten wir bedarfsspezifisch vielen ehemaligen Mieter*innen des Wohnheims am Sumperkamp Wohnplätze anbieten, die zwar nicht nach offiziellen Standards als barrierefrei gelten, jedoch im Einzelfall für die Bedarfe der Studierenden mit Behinderung geeignet sind. Andererseits ist es aber auch so, dass der barrierefreie Wohnraum des neugebauten Wohnheims, anders als geplant, gar nicht als zusätzlicher barrierefreier Wohnraum in unsere Kapazitäten eingegangen ist, weil wir ja durch den Wegfall des Sumperkamps über 30 barrierefreie Wohnplätze verloren haben, was sich schon auswirkt.

Ehemalige Studierendenwohnanlage am Sumperkamp, die 2022 geschlossen wurde
Foto: Jenson Göb

Es waren nicht immer alle der barrierefreien Wohnplätze im Studierendenwohnheim am Sumperkamp von Studierenden mit Behinderung belegt. Wenn sich dann jemand mit barrierefreiem Bedarf an unsere Beratung gewandt hat, konnten wir im Einzelfall ein Angebot schaffen. In dieser komfortablen Lage sind wir nun nicht mehr. Jetzt müssen wir Studierenden mit Behinderung oder chronischer Erkrankung in einer Erstberatung fairerweise sagen, dass es mit barrierefreiem Wohnraum schwierig aussieht und sie sich dahingehend nochmal jenseits des Studierendenwerkes orientieren müssen.

Jenson Göb: Vielen Dank für das Interview und die Einblicke in die Lage hinsichtlich barrierefreien Wohnraums für Studierende!

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Institut für Deutschlandforschung an der RUB – Relevanter denn je

Autor: Robert Kurth | Titelbild: klausdie

Das Spektrum der Arbeit des Instituts für Deutschlandforschung (IdF) hat sich seit der Gründung immer wieder verändert und erweitert. Die Aufarbeitung der SED-Diktatur in der DDR, die Friedliche Revolution 1989/90 und die Entwicklung des deutsch-deutschen Verhältnisses seit der Wiedervereinigung stehen im Zentrum des Interesses. Der Fokus wurde zur Perspektiverweiterung auf eine europäische Ebene gehoben. Studierende können wertvolle Einblicke erfahren – und werden dafür mit Credit Points im Optionalbereich belohnt.

„Mit der Arbeit begonnen hatte das Institut bereits vor der offiziellen Gründung 1989“, berichtet Dr. Frank Hoffmann, Geschäftsführer des Instituts für Deutschlandforschung an der RUB und dort selbst bereits seit 1992 tätig. „Das Institut wurde Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhundert als Institut der alten westdeutschen DDR-Forschung gegründet. Ziel war dabei die Bewertung der DDR an ihren eigenen Maßstäben und der Blick auch auf positive Entwicklungen.“

Dr. Frank Hoffmann – Geschäftsführer des Instituts für Deutschlandforschung.
Foto: Robert Kurth

Nach der friedlichen Revolution 1989/90, kurz nach der offiziellen Gründung, musste sich das Institut dann neu aufstellen. Die vorhandene integrative Perspektive aus Historiker*innen, Sozial- und Politikwissenschaftler*innen sowie Philolog*innen, die in ihrer Arbeit durch Jurist*innen, Geograph*innen und Publizist*innen unterstützt wurden, bildeten die perfekte Grundlage für innerdeutsche Landeskunde. Die Landeskunde wurde dabei invers aufgefasst: In Zeiten, in denen niemand mit dem neuen Deutschland umzugehen wusste, wurden durch das Institut für Deutschlandforschung viele europäische Projekte initiiert, um europäischen Partner*innen Hilfestellung zu leisten. Somit entwickelte sich neben der Aufarbeitung der SED-Diktatur der europäische Kontext des deutsch-deutschen Verhältnisses zu einer zweiten Säule der Forschung. Projekte wie das Promotionskolleg Ost-West oder RUB Europadialog waren lange Zeit Basis von Austausch und wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit Akademiker*innen aus ganz Europa (überwiegend Osteuropa).

„Wir haben drei Säulen: Die Lehrverpflichtung mit Veranstaltungen, die wir im Optionalbereich anbieten. Eigene Projekte, die einen Qualifikations- und Informationsteil beinhalten und sich auch an die breite Öffentlichkeit wenden. Dann gibt es noch die internationalen Kontakte. Durch solche sollen im Zuge von Veranstaltungen unsere deutschen Probleme auf einer anderen Ebene weiterdiskutiert werden, sei es im Kontext des Kalten Kriegs oder jetzt der europäischen Integration.“ (Dr. Frank Hoffmann)

Der Wert des europäischen Diskurses

Die Wortfolge „Interdisziplinärer Arbeitskreis für Deutschland- und Europastudien“ im Untertitel zeigt die Bedeutung der europäischen Ebene des Diskurses und den Stellenwert für das Institut. Dabei ist die Deutschlandforschung jedoch nicht mehr nur Dienstleisterin für die Verbesserung des ausländischen Verständnisses. Vielmehr werden durch europäische Begegnungen innerdeutsche Differenzen neu bewertet, meint Frank Hoffmann. „Viele Dinge die wir (Westdeutschen; Anm. d. Autors) merkwürdig an Ostdeutschen finden, wie z. B. ein scheinbar anderes Demokratieverständnis, sind innerhalb Europas nicht ungewöhnlich. Beispielhaft kann man Polen, Ungarn, Italien, aber auch Frankreich und die Niederlande nennen. So gibt es ausgehend von unterschiedlichen Geschichten auch Unterschiede zwischen Pfälzern und Sachsen.“

In der Vergangenheit gab es Exkursionen nach Brüssel und für die Studierenden die Möglichkeit, sich dort mit Politiker*innen auszutauschen. Auch in Zukunft sollen wieder Projekte für europäische Begegnungen im Optionalbereich angeboten werden.

Lokaler Impact: Das Zeitzeugen-Projekt

Auf regionaler Ebene organisiert das Institut Zeitzeugengespräche in Schulen in ganz NRW, in denen die Schüler*innen mit Personen sprechen können, die in der DDR gelebt und mit dem System in Konflikt geraten sind. Diese Zeitzeug*innen berichten basierend auf eindrücklichen Erfahrungen wie einer Inhaftierung. Das Projekt fordert sehr viel Zeit in der Organisation. Jedoch verweist Frank Hoffmann auf den großen Beitrag dieser Gespräche, die das Verständnis für die DDR und die Zeit seit der Friedlichen Revolution fördern und für die Entwicklung auch innerhalb der DDR sensibilisieren können. Das Zeitzeugen-Projekt ist ein Paradebeispiel für nahbare Vermittlung, die über den Wert der einfachen Sachinformation hinausgeht.

Spannende Exkursionen im Optionalbereich

Eine gute Möglichkeit für Studierende nicht nur mehr über das Deutschlandinstitut und dessen Arbeit zu erfahren, sondern auch selbst lebhaft in diese Themengebiete einzutauchen, sind Exkursionen. Diese werden über das Institut für Deutschlandforschung angeboten und führen

regelmäßig in den Osten des Landes. Diese Eindrücke richten sich an alle Studierenden, „die ihr Studium auch für wertvolle Erfahrungen über die Geradlinigkeit der Pflichtveranstaltungen hinaus nutzen wollen,“ erklärt Frank Hoffmann. Zusätzlich werden Exkursionen mit Credit Points im Optionalbe

reich angeboten und sind somit auch hinsichtlich des Studiums attraktiv. Für das WiSe 2024/25 lohnt sich der Blick auf das Modul „Die bunte DDR – ein neues Bild vom anderen Deutschland?“ mit einer Reise nach Thüringen und Sachsen-Anhalt. Mehr Details zum Projekt findet Ihr hier!

„Die bunte DDR“.  Foto: Robert Kurth

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Kleine Gegenstände mit großen Geschichten – die faszinierende Welt der Münzsammlung der Ruhr-Universität Bochum

Autorin: Emily Nothbaum | Titelbild: Emily Nothbaum

Wie ein kleiner vergrabener Schatz liegt die antike Kunstsammlung der Ruhr-Universität unter der Bibliothek, mitten im Herzen des Campus und ist doch für vorbeilaufende Menschen oft erst auf den zweiten Blick sichtbar. Dabei versteckt sich hinter der unauffälligen Tür gegenüber vom Audimax ein stiller Ort, fernab vom Trubel des Universitätsalltags, der eine Vielzahl antiker Kunst- und Alltagsgegenstände beherbergt – unter ihnen auch die Münzsammlung der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

Die Münze als „Mini-Kunstobjekt“

Zwischen eindrucksvollen Büsten, antiken Waffen und wunderschöner Keramik findet man im Keller des Museums vier Vitrinen. In ihnen: Eine Auswahl aus der Münzsammlung der RUB, die einen Bestand von rund 3.400 Münzen umfasst.

Im Gegensatz zu den auffälligen, bunt bemalten Keramikstücken, die sich in den Vitrinen neben den Münzen präsentieren, offenbart sich die Faszination der kleinen Münzen erst dann, wenn man sich über die Vitrine beugt und durch die platzierte Lupe auf die Stücke blickt.

Wie in einem eigenständigen, isolierten Museum werden kleine, detaillierte Szenen und Porträts sichtbar, die ganz unterschiedliche Geschichten erzählen und die Menschen seit geraumer Zeit in ihren Bann ziehen, so der Althistoriker Dr. Karl-Ludwig Elvers, der für die Pflege der Sammlung verantwortlich ist: „Seit dem Aufkommen der bürgerlichen Sammlungen im späten 18. und besonders auch im 19. Jahrhundert spielt die antike Münze als Kunstobjekt und als Objekt der Anschauung eine ganz wesentliche Rolle, die gar nicht so sehr was mit ihrem historischen Kontext zu tun haben muss, sondern auch einfach damit, dass die Münze als Mini-Kunstobjekt eine immens große Wirkung entfaltet hat. Und die hat eigentlich bis heute angehalten“.

Mit einer Lupe lassen sich die Münzen detailliert betrachten. Foto: Emily Nothbaum

Die Anfänge der Münzsammlung

Die Münzsammlung der Ruhr-Universität Bochum ist fast ebenso alt wie die Universität selbst. Schon 1966 stießen Bauarbeiter zwischen dem heutigen Gebäuden GB und GC auf den sogenannten Querenburger Schatz, der 123 spätmittelalterliche Münzen enthielt.

Der Querenburger Schatz wurde 1966 zwischen GB und dem ehemaligem GC gefunden. Foto: Emily Nothbaum

Zudem kaufte die Universität 1966 die umfangreiche Sammlung antiker Münzen des Fuldaer Studienrates Dr. Karl Josef Welz, der seit 1924 leidenschaftlich antike Münzen sammelte, auf. Sie umfasst vor allem antike griechische, aber auch römische Münzen und hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Ruhr-Universität heute über eine sowohl zeitlich als auch geographisch außergewöhnlich breit gefächerte Sammlung verfügt, die ständig um weitere Stücke ergänzt wird. So besitzt die Universität Münzen von den Anfängen der Münzprägung bis in die Spätantike und aus dem gesamten Mittelmeerraum. Dr. Karl-Ludwig Elvers zufolge bietet die Sammlung ein „wirklich sehr schönes Anschauungsmaterial über die Vielfalt der griechischen Münzprägung überhaupt“. Dies sei für eine Universitätssammlung durchaus besonders.

Von der Archäologie zur Chemie. Die interdisziplinäre Erforschung von Münzen

Neben ihrem künstlerischen Wert sind Münzen auch für die Forschung von großem Interesse, denn sie erzählen uns über eine Vielzahl von Aspekten vergangener Zeiten. Die Bandbreite möglicher Untersuchungen ist dabei groß. Sie umfasst etwa die Analysen von den abgebildeten Herrscherporträts ebenso wie die Untersuchung von Produktionsbedingungen. Darüber hinaus können Münzen auf ihre innere Wertigkeit hin analysiert werden, um festzustellen, zu welchen Zeiten es zu Geldentwertungen kam oder wo die verwendeten Materialien gewonnen wurden. „Das können Sie natürlich nicht allein durch Anschauung, sondern da kommen dann auch, sehr stark in jüngster Zeit, naturwissenschaftliche Untersuchungen hinzu, die sich mit dem Metallgehalt beschäftigen“, sagt Herr Dr. Elvers. Die Forschung an Münzen ist also nicht allein auf Historiker*innen und Archäolog*innen beschränkt, sondern auch für diejenigen von Interesse, die sich für die Schnittstellen zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft begeistern.

Münzen selbst entdecken

Von Zeit zu Zeit werden die Münzen der Sammlung in der Lehre eingesetzt, spezielle Lehrveranstaltungen sind derzeit jedoch nicht geplant. Wer sich aber die RUB-Münzen genauer anschauen möchte, kann die antiken Kunstsammlungen von Montag bis Samstag kostenlos besuchen, oder, wenn man es lieber bequem von zu Hause aus bevorzugt, sich durch die elektronische Münzdatenbank der Universität klicken und die Vielfalt der dort digitalisierten Münzen bestaunen.

Und wer vor lauter Münzen gar nicht weiß, wo er anfangen soll, dem empfiehlt Herr Dr. Elvers, mit der Münzprägung des Augustus vor und nach seiner Alleinherrschaft zu beginnen, um das berühmte Porträt des Augustus kennen zu lernen.

Viel Spaß beim Entdecken!

Der Eingang zum Museum befindet sich auf der Rückwand der UB. Foto: Emily Nothbaum
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