Rund um die Universität: Endstation beim endstation.kino? Ein kleines Programmkino kämpft ums Überleben

Autorin: Rebecca Bednarzyk | Titelbild: Rebecca Bednarzyk

Wahre Bochumer Kulturbegeisterte kennen diesen Ort; ein alter Bahnhof im ruhigen Langendreer, ein liebevoll verschnörkeltes Backsteingebäude im Wallbaumweg. Das ruhig erscheinende Häuschen ist jedoch alles andere als das. Abends wird es von Scheinwerfern erleuchtet, dumpfe Rockmusik dröhnt aus seinen Fenstern und auf dem kopfsteingepflasterten Vorplatz sammeln sich Menschen. In dem stillgelegten Bahnhof versteckt sich allerdings nicht nur eine Konzert- und Veranstaltungshalle, sondern auch das wohl kultigste Kino Bochums.

Während das Bermuda-Dreieck zunehmend im Tourismus erstickt, bietet das endstation.kino eine Alternative zu großen Filmhäusern mit ihren Blockbustern und einer von den USA dominierten Filmwelt. Hier laufen keine Marvel Filme: Das endstation zeigt Arthouse Filme, Dokumentarfilme und schenkt kleinen FilmemacherInnen seine Leinwand.

Der Blick auf den Bahnhof Langendreer, am Gebäude rechts: Der Eingang zum Kino (Foto: Rebecca Bednarzyk)

Im Gespräch mit Nina Selig aus dem Leitungsteam erfahre ich, was das Besondere am endstation ist. Zunächst sei es seine Gründungsgeschichte. Als erstes Kino Bochums zeigt das endstation seit 1988 Filme in Originalfassung mit Untertiteln, gar nicht mal so einfach in einer Zeit vor der Digitalisierung.

„Vieles war nicht zugänglich. Da war man eben darauf angewiesen, dass es so engagierte KinomacherInnen gibt, die die Kopien besorgen und vielleicht noch die Regisseure herankarren. Das war damals schon etwas sehr besonderes.“

Nina Selig (Foto: Rebecca Bednarzyk)

Nina Selig erzählt, wie sich ihre VorgängerInnen zusammentaten, um in den USA an Kopien der Originalfassungen zu gelangen. Sie selbst ist seit 23 Jahren Teil des Bochumer Kultkinos und seit 2014 in der Leitung tätig. Die studierte Film- und Fernsehwissenschaftlerin beschreibt Bochum als eine Stadt, in der es viele Kinos gibt. Das endstation steht als Repertoire-Kino jedoch inhaltlich mit den anderen lokalen Kinos nicht in Konkurrenz. Es erhebt einen eigenen Anspruch: Im endstation laufen nur „Filme mit Thema“. Hier wird in Form von politischen und historischen Filmen Geschichte zugänglich gemacht und der Blick von der Hollywood- Film-Produktions-Maschine abgelenkt. Das Programm des endstation zeichnet sich somit neben Originalfassungen auch durch Filme aus dem globalen Süden, Dokumentarfilme und einem Angebot von Diskussionsrunden und Regiegesprächen aus.

„Das war tatsächlich die Lücke, die in Bochum gefüllt werden konnte.“

Nina Selig erlebt den Umschwung, den die Digitalisierung mit sich bringt. Mit nur einem Klick kann plötzlich jedes Kino Originalfassungen erwerben und das endstation verliert einen Teil seiner Einzigartigkeit. Streamingplattformen boomen, Filme werden allgemein zugänglicher und das Schauen in den eigenen vier Wänden wird spätestens während der Pandemie immer

beliebter. Das Fazit ist, immer weniger Menschen gehen ins Kino und wenn, in die großen Blockbuster. Doch das endstation hält an seinem Anspruch fest. Hier laufen weiterhin besondere Filme, solche, die nicht auf Streamingplattformen zu finden sind und die Konzentration eines dunklen Kinosaals erfordern.

„Ich finde nach wie vor, dass manche Filme nur im Kino funktionieren.“

Doch nicht nur sein Programm macht das endstation zu etwas ganz Besonderem. Wie kein anderes Kino im Umfeld bietet das Einsaal-Kino eine breite Spanne an pädagogischen Angeboten für die Kinder und Eltern der Stadt. Aus der Initiative, Filme mit Begleitprogramm und Übersetzung für syrische Geflüchtete zu zeigen, bildet sich 2015 eine gesamte Filmbildungsabteilung. Heute lädt das endstation.kino sowohl Schulkinder mit dem Schulkino, als auch Kindergartenkinder mit dem minifilmclub zu einer Zeitreise zu sich ins Kino ein.

„Da sind wir tatsächlich das einzige Kino nicht nur in Bochum, sondern auch im Ruhrgebiet, das so engagiert das Thema Filmbildung angeht. Ich würde sogar behaupten das einzige Kino in NRW.“

Das geräumige Kino-Café (Foto: Rebecca Bednarzyk)
Als langjähriger Kooperationspartner hat das blicke! Festival gleich mehrere Sitze im Kinosaal (Foto: Rebecca Bednarzyk)

Neben seinen pädagogischen Angeboten macht das Kino auch mit seinen Aktionstagen und Filmfestivals auf sich aufmerksam. Im Rahmen der Queerfilmnacht  laufen Filme von und über Menschen der LGBTQ+ Community und im Herbst fungiert das endstation als Gastgeber für bereits mehrere Filmfestivals; das blicke, das doxs! Ruhr und erstmals für das ZeitZeug_Festival mit seiner Premiere einer Kurzfilmkategorie.

Auch die Ruhr-Universität ist langjährige Kooperationspartnerin des endstation. Das Institut für Medienwissenschaft arbeitete schon mit dem Kino zusammen, als der Studiengang noch „Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft“ hieß. Auch dieses Wintersemester findet erneut ein Seminar in dem gemütlichen Kinosaal statt: Der Filmclub, welcher über den Optionalbereich im Rahmen des Moduls „must see! Filmclub – True Colors Einführung in die Filmgeschichte, Filmanalyse und Filmbildung“ von filminteressierten Studierenden besucht werden kann.

All das zeigt, das endstation.kino wird von den Menschen der Stadt geliebt und seine Projekte gerne gefördert. Doch Projektförderungen halten das Kino kaum über Wasser, sie lassen es lediglich kurz nach Luft schnappen. Die sinkenden ZuschauerInnenzahlen in Kombination mit den steigenden Personal- und Energiekosten zwingen das Kino diesen Sommer in die Knie. Via Instagram verkündet das endstation:

„Das endstation.kino wird nach der Sommerpause keine aktuellen Filme mehr zeigen.“

Was bedeutet das für ein Einsaal-Kino? Größere Filmhäuser können bei einem Film, der nicht so gut läuft, auf einen kleineren Saal ausweichen. Diese Möglichkeit hat das endstation nicht. Selig sagt: “Nur einen Saal zu haben ist die am schwersten zu betreibende Kinoform.“ Dazu kommt das Nischen-Genre der Arthouse Filme, das Motto „Alles außer Mainstream“ reduziert die ZuschauerInnenzahl. Bereits seit März 2023 fährt das endstation einen Sparkurs und öffnet lediglich für vier Tage in der Woche seine Türen. Weniger Tage bedeutet allerdings auch weniger Menschen, die Trailer und Plakate sehen, weniger Menschen, die wiederkommen. Nun werden es noch weniger Tage werden. Das Kino öffnet vorerst nur für einzelne Veranstaltungen. Die Notbremse ist gezogen, jetzt heißt es Brainstorming, Raum für neue Ideen und Konzepte. Daher die Einladung, sich bei Interesse beim endstation einzubringen und das Konzept Bochums wertvollstem Repertoire-Kinos neu zu denken.

Verlockungen am Kinotresen (Foto: Rebecca Bednarzyk)

“Wir haben gemerkt, dass wir sehr großen Rückhalt in Bochum haben und dass es auch eigentlich ein politisches Interesse gibt, das Kino zu erhalten.“

Wer also an der Rettung des kleinen Kinos mitwirken möchte, weiß wo es langgeht. Bis dahin gilt; ab ins Kino und immer schön Snacks und Limo kaufen!