Ein Bericht von Alicia Wiedmann | Titelbild: ua_Bob_Dmyt_ua
Der Beginn des Studiums ist für viele eine große Herausforderung. Fragen wie „Welche Kurse wähle ich?“, „Wo finde ich den richtigen Raum?“ und viele weitere, müssen geklärt werden, um sich letztendlich vollkommen auf das eigentliche Studium konzentrieren zu können. Man stelle sich nun vor, dass auf diesen riesigen Berg aus Fragen noch weitere hinzukommen, wenn Studierende mit einer Beeinträchtigung ihren Studienalltag meistern wollen. Wie also schafft man ein motivierendes Lernumfeld, das nicht von Überforderung und Stress, sondern von Unterstützung und Leichtigkeit geprägt ist?
Die Basis eines hilfreichen Programms
Laut des Deutschen Studierendenwerks haben rund 16 % der Studierenden eine studienerschwerende Beeinträchtigung. An der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gibt es viele Studierende mit körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigungen. Einige Beeinträchtigungen sind sichtbar, andere erkennt man auf den ersten Blick nicht. So unterschiedlich diese Beeinträchtigungen auch ausfallen mögen, sie haben eines gemeinsam: Es benötigt Unterstützung, damit der Studienalltag gemeistert werden kann.

„Das Thema Inklusion wird zum Glück immer wichtiger“, sagt Saiman Mehra, der durch eine Sehbehinderung zu Beginn seiner Studienzeit selbst vor Herausforderungen stand. Er leitet das P2P-Mentoringprogramm (Peer-to-Peer-Mentoringprogramm) – ein Programm, bei dem sich Menschen mit Beeinträchtigung gegenseitig unterstützen. Durch seine eigene Erfahrung kennt er die Hürden genau und weiß, wie man sie am besten überwindet.
Eines steht beim P2P-Mentoringprogramm ganz oben: die Unterstützung von Studierenden mit einer Beeinträchtigung – für Studierende mit einer Beeinträchtigung. Auf diesem Grundstein baut das Programm auf und schafft damit eine stabile Basis für alle, die Unterstützung brauchen.
Gemeinsam für einen gelungenen Studienalltag
Das Programm richtet sich an Studierende mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen – etwa Mobilitäts-, Seh-, Hör- oder Sinnesbeeinträchtigungen, psychische Erkrankungen, chronische Schmerzen, AD(H)S, Autismus oder Teilleistungsstörungen. Viele dieser Einschränkungen sind nicht sichtbar, prägen aber den Studienalltag.
Das P2P-Mentoringprogramm setzt auf den Austausch von Studierenden mit vergleichbarer Beeinträchtigung. So bekommen die Betroffenen bestmögliche Unterstützung. Findet sich kein Mentor oder keine Mentorin mit derselben Beeinträchtigung, wird trotzdem eine Lösung gesucht, versichert Programmleiter Mehra. Kein Mentee muss sich alleingelassen fühlen.
Dass das Studium mit Beeinträchtigung zusätzliche Unterstützung braucht, ist nichts, wofür man sich schämen sollte. Das Programm zeigt: Es ist okay, mit zusätzlichen Herausforderungen ins Studium zu starten – und es gibt Angebote, die genau dafür da sind.
Der Weg zum/zur Mentor*in

Die Suche nach Mentoren und Mentorinnen ist eine Herausforderung. Doch Bedenken können genommen werden – während der Schulung und danach sind Mentoren und Mentorinnen nicht allein. Studierende ab dem dritten Semester, die selbst Erfahrungen mit Beeinträchtigungen haben, können Mentor*in werden.
Die zweitägige Schulung, die einmal im Semester stattfindet, vermittelt eine doppelte Expertise: Am ersten Tag lernen Mentorinnen und Mentoren die Struktur der Universität und wichtige Anlaufstellen kennen – z. B. für Nachteilsausgleiche, psychologische Unterstützung oder bei Diskriminierung. Am zweiten Tag geht es um die persönliche Beeinträchtigung und das Erkennen der eigenen Potentiale. Mentoren und Mentorinnen lernen, wie sie ihre Erfahrungen und Lernstrategien anderen Studierenden weitergeben können.
Nach der Schulung erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat. Kommt ein Tandemverhältnis mit einem Mentee zustande, wird ein Tandemvertrag abgeschlossen. Er regelt, wie häufig die Treffen stattfinden und in welcher Form (persönlich oder telefonisch). Die Zusammenarbeit dauert in der Regel ein Semester und kann verlängert werden.
Individuelle Begegnungen: So laufen Mentor*innen-Mentee-Treffen ab
Wie sieht so ein Treffen konkret aus? Ganz unterschiedlich. Ein Treffen kann ein einfacher Besuch in der Mensa sein, ein Rundgang über den Campus, ein Gespräch zur Orientierung im Studium oder eine Hilfestellung bei organisatorischen Hürden. Auch Tipps zur Selbstorganisation, zum Umgang mit Dozierenden oder zur Motivation können Thema sein. Die Mentoren und Mentorinnen beantworten Fragen, helfen durch ihre Erfahrung weiter und geben Sicherheit. Das Leitthema aller Treffen lautet: Unsicherheiten abbauen – Motivation stärken.
Erfolgreiche Rückmeldungen und Zukunftsaussichten
Saiman Mehra hat bereits viele positive Rückmeldungen erhalten. Mentees berichten, wie hilfreich das Programm für sie war, vor allem in schwierigen Phasen oder zu Beginn des Studiums. Das Programm wird als eine Art Sicherheitsnetz erlebt, das hilft, sich im Studienalltag zurechtzufinden.
Langfristig ist geplant, das Programm weiterzuentwickeln – etwa durch Tandems für den Übergang ins Berufsleben. Die Idee dahinter: Empowerment und Unterstützung hören nicht mit dem Studium auf.
Die Wirkung des P2P-Mentoringprogramms
Das Programm hat vielen Studierenden mit Beeinträchtigung wichtige Hilfe geboten. Inklusion wird den Studienalltag begleiten – daher ist es wichtig, das Thema sichtbar zu machen und Angebote weiter auszubauen. Dank des Programms werden diese Studierenden sichtbarer, vernetzt und gestärkt für einen inklusiven Hochschulalltag.
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Mehr Informationen, Anmeldung und Kontakt:
Mehr zum P2P-Mentoringprogramm
Kontakt
p2p-inklusiv@rub.de
Saiman Mehra (kommissarisch)
Team Psychologische Studienberatung
Studienlage
Weitere Informationen zur Lebenssituation von Studierenden mit Beeinträchtigung findest du in dieser Studie:
Studierendenbefragung – Sozialerhebung 2022
Wortklärung
Peer (englisch) bedeutet Gleichgestellte*.