Muskelkater statt Klischees – Mein Selbstversuch im Hochschulsport Bochum

Autorin: Lisa-Marie Bühring | Titelbild: Lisa-Marie Bühring

Aquafitness, Krav Maga, Zumba – die Hochschulsportkurse der Ruhr-Uni Bochum bieten alles. Die Auswahl? Riesig. Erst überwältigend, dann faszinierend. Die Kurse sind teilweise nach Erfahrungsstufen unterteilt, egal ob Anfängerin oder Fortgeschrittener, hier wird es möglich gemacht. Eine Chance, Neues auszuprobieren, ohne ein Abo abzuschließen, die alten Hobbys wiederzuentdecken, ein Ausgleich neben Studium und sogar der Arbeit. Selbst wenn einem die Sportart nicht liegt, lernt man doch wenigstens neue Leute kennen.

„Ist das überhaupt Sport oder nur sexy Rumgehampel?“ „Das ist doch voll einfach – einfach Pfeil rein, zielen, fertig.“ „Da tanzt du ja halbnackt – das kann man doch nicht ernst nehmen!“ „Frauen mit Pfeil und Bogen? Das ist doch nur sexy Amazonen-Kram!“

©RUB | Hochschulsport Bochum

Ich selbst suche mir regelmäßig Kurse zum Ausprobieren, bei denen ich weiß, ich bin nicht die einzige Anfängerin. Meine Freude war riesig, als ich freie Plätze beim Bogenschießen gesehen habe. Schnell wurde der Kurs gebucht, Freundinnen noch überredet mitzumachen. Immerhin wollte ich nicht als einzige Frau dastehen. „Außerhalb von Märchen ist das doch ein Männersport.“ Zuhause scrolle ich in Jogginghose auf der Couch sitzend erneut durch die Angebote und sehe Pole Dance. „Man muss doch supergelenkig, schlank und durchtrainiert sein, um das zu können?“, denke ich mir, während ich mein Eis esse. Letztlich buche ich auch diesen Kurs. Und wenn ich keine Lust mehr habe, ghoste ich die Kurse einfach wie manche Nachrichten.

Mit zwei so unterschiedlich durch Genderklischees geprägten Kursen kann ich den Start nicht abwarten herauszufinden: Stimmen diese Vorurteile – oder sind sie längst überholt? Und vor allem: Wie schlecht werde ich mich anstellen?

Erste Schritte – erste Zweifel

Für den Pole Dance Kurs konnte ich keine Freunde begeistern. Auf dem Weg zur ersten Stunde werde ich nervös. Ich bin weder supergelenkig noch schlank noch durchtrainiert, aber mehr als „abschmieren wie ein toter Vogel“ kann ich sowieso nicht.

Beim Bogenschießen war es einfacher. „Bogenschießen? Das klingt ja cool!“ – meine Freundinnen waren sofort dabei. Janina, die ebenfalls am Hochschulkurs teilnimmt, hatte eine ähnliche Erfahrung: „Ich hatte vorher keine Erfahrung mit der Sportart, aber ich fand es schon als Kind faszinierend. Außerdem wollte ich meine Schultern stärken und meine Haltung verbessern.“

Zwischen Tradition und Popkultur

Bogenschießen hat ein Imageproblem – oder gleich mehrere. Die einen denken an Mittelalter-Nerds in Kettenhemden, die anderen an Hollywood-Heldinnen. „Bogenschießen wird oft mit Männern assoziiert, aber durch Figuren wie Merida oder Katniss ist es mittlerweile fast schon normal, dass auch Frauen den Sport ausüben“, sagt Isabelle, die schon in Korea Bogenschießen ausprobiert hat.

Während Bogenschießen mit Bildern von Rittern und Hollywood-Heldinnen kämpft, wird Pole Dance oft mit Stripclubs assoziiert. Janina verbindet „Pole Dance mit Akrobatik und extremer Kraft. Jeder, der schon mal Calisthenics probiert hat, weiß, wie anstrengend das ist.“ Auch Isabelle sieht den körperlichen Ansatz: „Von der Optik her würde ich es als Eiskunstlauf an der Stange bezeichnen – es hat Technik, Kraft und Eleganz.“

Foto: Lisa-Marie Bühring; ich beim Bogenschießen

Während der ersten Stunde merke ich den Unterschied der beiden Kurse. Während das kleine Studio in sanftes Licht getaucht ist und Stangen sich in den gegenüberliegenden Spiegeln reflektieren, ist die Halle, in der das Bogenschießen stattfindet, kühl, das Licht grell. Reihen von Zielscheiben stehen in der Ferne, der Boden ist mit Linien markiert. Kaum ein Geräusch, nur das leise Surren von Sehnen, das dumpfe Auftreffen der Pfeile. Jeder hier scheint fokussiert – fast meditativ. Ich halte den Bogen, spüre das Gewicht, ziehe vorsichtig die Sehne zurück, der Atem wird ruhig. Konzentration. Stehe ich richtig? Spannung. Ein dumpfes Klatschen, Treffer. Niemand applaudiert, keine Musik, keine Ablenkung. Hier zählt nur Präzision. „Bogenschießen ist weniger Kraft, mehr Technik. Wer nur mit Kraft schießt, trifft nicht.“

Währenddessen klebt meine Haut beim Pole Dance an der Stange, meine Arme zittern. Die Trainerin schwingt sich scheinbar mühelos in die Höhe – ich nicht. Stattdessen habe ich das Gefühl, dass ich abrutsche, unelegant lande. Lachen. Die Stimmung? Laut, ermutigend, voller Energie. „Pole Dance erfordert mehr Kraft als viele denken – wer glaubt, es sei kein Sport, soll es einfach mal ausprobieren.“

Ich kam mit Vorurteilen – und ging mit Muskelkater

Nach ein paar Wochen in beiden Kursen frage ich mich: Stimmt eigentlich noch eines der ursprünglichen Klischees? „Frauen im Bogenschießen werden oft sexualisiert – als ob eine wehrhafte Frau besonders exotisch wäre.“ – „Pole Dance wird meist mit Erotik und Weiblichkeit verbunden.“

In beiden Kursen habe ich mich nie als Frau fehl am Platz gefühlt. Die Atmosphäre ist sehr respektvoll. Meine Haltung hat sich verbessert und ich bin konzentrierter. Ich sehe Erfolge, die sich über Wochen aufgebaut haben. Meine Pfeile treffen öfter die 10, meine Körperspannung hat sich verbessert.

Beim Bogenschießen erwartete ich Kettenhemden, beim Pole Dance grazile Akrobatinnen. Stattdessen fand ich konzentrierte Menschen, die ihre Technik perfektionierten. Und Muskelgruppen, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren.

Foto: Lisa-Marie Bühring; ich beim Pole Dance

Was bleibt von den Klischees?

Klischees gibt es überall – doch sie sagen oft mehr über unsere Vorstellungen aus als über die Realität. Filme und Medien prägen das Bild von Bogenschießen als selbstverständlicher für alle Geschlechter – Pole Dance braucht eine ähnliche Entwicklung. Beide Sportarten sind technisch anspruchsvoll. Bogenschießen ist Ruhe, Pole Dance ist Kraft, und beide sind einfach Sport.

„Das sind Sportarten, mit krasser Körperspannung und Kontrolle.“ „Geheimagenten, das denke ich dabei.“ „Konzentration und Meditation – einfach abschalten.“ „Anstrengende Sportarten.“ „Muskelkraft und Präzision.“

Ich bin froh, dass ich die Sportarten ausprobiert und sogar für mich entdeckt habe. Ob ich jetzt ein Profi bin? Definitiv nicht. Aber ich habe gelernt, dass Sport mehr ist als Muskelkraft – es geht darum, etwas Neues zu wagen. Und eins weiß ich: Beim nächsten Hochschulsport-Kurs buche ich wieder. Wer weiß? Vielleicht steht beim nächsten Mal eine Sportart auf dem Plan, die ich mir heute noch nicht vorstellen kann.

Mein Tipp: Probiert es aus. Denn das größte Hindernis ist oft nicht die eigene Kraft, sondern die Klischees im Kopf.

Den Link zu den Kursen des Hochschulsports Bochum der Ruhr-Uni Bochum findest du hier.