Zertifikat: Collective Violence, Holocaust and Genocide Studies – Expertise der RUB-Studierenden wird zertifiziert

Interviewführerin: Soad Kilinç

Seit dem Wintersemester 2021/22 bietet das Institut für Diaspora- und Genozidforschung (IDG) ein Zertifikat an, bei dem Studierende verschiedener Fachrichtungen sich mit interdisziplinären und fächerübergreifenden Forschungsprozessen zum Thema kollektiver Gewalt und gewaltsamer Herrschaftsstrukturen vertraut machen und zur Einnahme kritischer Perspektiven sowie zum Argumentieren und Diskutieren angehalten werden. Die im Optionalbereich belegbaren Module bieten Studierenden der RUB ein tiefgreifendes Zertifikatsstudium. Ansprechpartner für Interessierte ist Herr Dr. Medardus Brehl, der am IDG tätig ist und auch einige der Module betreut. Im Interview beantwortet er Fragen zum Zertifikatsstudium.

Das Zertifikat Collective Violence, Holocaust and Genocide Studies vom IDG wird als interdisziplinäres Zertifikatsstudium beworben. Wie genau sieht das für die Studierenden verschiedener Studiengänge aus?

Dr. Brehl: Zu Anfang ist das Zertifikat zweigliedrig aufgebaut, es gibt einmal das Basic Zertifikat; das umfasst sieben Veranstaltungen im Umfang von zwanzig CP. Das kann man dann nochmal erweitern durch ein weiteres Modul um zehn CP, dann hat man also mit dreißig CP das Advanced Zertifikat. Es gibt sehr viele Studierende an der Ruhr-Universität Bochum in unterschiedlichen Fächern, die in irgendeiner Weise in ihrem Studium Schwerpunkte im Bereich der Gewaltforschung oder der Forschung zu Rechtsextremismus, politischer Gewalt und so weiter ausgebildet haben, wo aber dieser Schwerpunkt eigentlich nicht sichtbar wird. Man hat am Ende ein Examen, man hat also einen Bachelor oder einen Master in der Geschichte oder Sozialwissenschaften oder einer anderen Wissenschaft und hat die ganze Zeit Schwerpunkte im Bereich von Gewalt, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder ähnlichem gesetzt. Gerade das sieht niemand und unsere Idee war es, wenn Studierende in ihrem Studium so einen Schwerpunkt selbst ausbilden, möchten wir ihnen die Gelegenheit geben, dies deutlich zu machen, z.B. über die Belegung der Module im Optionalbereich.

Es besteht ein gleichnamiger Forschungsverbund in Zusammenarbeit mit der FernUniversität Hagen. Wird dann dort in Zusammenarbeit mit der RUB das Zertifikat auch angeboten?

Dr. Brehl: Das Zertifikat ist sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal der RUB, der Begriff Collective Violence, da haben Sie Recht, kommt in beiden Projekten vor, weil in beiden der Aspekt kollektiver Gewalt eine Rolle spielt, aber diese beiden Dinge haben rein strukturell und institutionell nichts miteinander zu tun. Das Zertifikat ist tatsächlich eine Sache, die sich schwerpunktmäßig an Studierende der Ruhr-Universität Bochum wendet, die ihre Regelstudiengänge hier in Bochum haben. Wir erkennen aber auch Veranstaltungen anderer Universitäten an. Also wenn jemand zum Beispiel zum Master von Passau nach Bochum wechselt, ist es möglich, dass wir Veranstaltungen, die thematisch passend in Passau belegt worden sind, für das Zertifikat anrechnen.

Worin liegt der Unterschied zwischen dem Basic Zertifikat und dem Advanced Zertifikat?

Dr. Brehl: Das hat eigentlich in erster Linie etwas damit zu tun, dass das Basic Zertifikat aus drei Modulen besteht, nämlich dem Grundlagenmodul und zwei Vertiefungsmodulen. Mit diesen Modulen, die wir mit insgesamt zwanzig CP kreditieren würden, hätte man im Prinzip die Voraussetzung für das Basiszertifikat erreicht. Das Erweiterungsmodul besteht dann aus einer Veranstaltung für Fortgeschrittene und einem Fachgespräch, was mit einer Person aus dem Institut geführt werden sollte. Es sind aber auch andere Personen möglich, die dieses Fachgespräch abnehmen können, indem man sich über die Themenbereiche, an denen man in den Veranstaltungen für das Zertifikatsstudium teilgenommen hat, etwa eine halbe Stunde unterhält.

Sehen Sie sich dann auch die Modulabschlussprüfungen der Studierenden an, wenn sie ein Zertifikat erwerben wollen, oder geht es tatsächlich nur um das Bestehen der anrechenbaren Veranstaltungen?

Dr. Brehl: Es geht in der Regel darum, dass die Module bestanden worden sind, also Leistungen erbracht worden sind und diese mindestens ausreichend sind. Die Anforderungen sind u.a. in den Modulbeschreibungen im Optionalbereich detailliert ausgewiesen und können über die Modulsuche gefiltert werden.

Foto: Dr. Medardus Brehl in seinem Büro am Institut für Diaspora- und Genozidforschung (Quelle: private Aufnahme)

Wenn Studierende beispielsweise das Basic Zertifikat absolviert haben, und sie dadurch ein bestimmtes Forschungsinteresse gewonnen haben, begleiten Sie dann auch eine Abschlussarbeit?

Dr. Brehl: Also der Aspekt der Abschlussarbeiten ist ein großes Thema, weil ich sagen würde, dass alle, die das Zertifikat erworben haben und ihre Arbeiten in diesem Themenbereich geschrieben haben, sie in der Regel auch bei jemandem aus unserem Institut geschrieben haben. Sehr viele Leute haben auch ihre mündlichen Prüfungen in diesem Themenbereich am Institut gemacht. Die Forschung wird also aus in der Lehre erworbenen Interessenschwerpunkten abgeleitet, und daraus werden auch eigene Themen und Fragestellungen für Examensarbeiten entwickelt. Zu beachten ist allerdings, dass im Bachelor-Studium die Examensarbeit nur im Fach bzw. einem der studierten Fächer geschreiben werden darf, nicht jedoch im Optionalbereich z.B. über die Teilnahme an unserem Zertifikat.

Auf dem Flyer zum Zertifikat wird auch damit geworben, dass das Zertifikat zudem ein Türöffner in die Forschungswelt sein könnte, gerade in Zusammenarbeit mit der Genozid- und Diasporaforschung: Wie sieht das in der Praxis bei Ihnen aus?

Dr. Brehl: Es gibt derzeit zwei Beispiele dafür, dass die, die das Advanced Zertifikat absolviertund [das] in wirklich sehr enger Anbindung an die Lehrveranstaltungen, die sie im Erweiterungsmodul belegt haben, inzwischen ihre Promotionsprojekte entwickelt haben. Und beide sind im Moment damit beschäftigt Stipendienanträge vorzubereiten, die dann auch von Frau PD Dr. Platt, Professor Dabag und Professor Stefan Berger (Institut für soziale Bewegungen) in diesen Fällen unterstützt werden. Man kann über diese Ausbildung eines selbstgewählten Schwerpunkts beispielsweise graduierende Projekte ableiten, wie diese Beispiele sehr schön deutlich machen.

Was wäre nun der erste Schritt interessierter Studierender zum Zertifikat?

Dr. Brehl: Den ersten Schritt macht man, indem man einfach eine Mail an die Lehre schreibt und sagt: „Ich interessiere mich für das Zertifikat und hätte gerne weitere Informationen.“ Dann bekommt man in der Regel schnell eine Antwort und einen Termin für ein Gespräch, in dem die Unklarheiten, die vielleicht noch da sind, wenn man die Beschreibung auf der Webseite und dem Flyer angeguckt hat, beseitigt. Die meisten Studierenden können es fast nicht glauben, dass sie eigentlich keine Zusatzleistungen erbringen müssen.  Man muss nur interessiert sein und Veranstaltungen machen, die reinpassen, und die werden dann in gewisser Weise sozusagen doppelt kreditiert, also für das Fachstudium und bei uns. Also wir sammeln die Veranstaltungen für Fachstudierende, passen sie in die Modulform des Zertifikats an und gucken, ob damit die Bedingungen erfüllt sind. Studierende im Optionalbereich finden die Module für das Zertifikat direkt in der Modulsuche auf der Homepage des Optionalbereichs.

Nun läuft das Zertifikat im fünften Semester an, wie sind die Erfahrungen der Studierenden bisher?

Dr. Brehl: Die Resonanz ist umwerfend, wir haben inzwischen für das Zertifikat achtzehn oder neunzehn Leute, die es komplett absolviert haben in den letzten Semestern. Das Feedback ist sehr gut, ich habe schon neue Beratungsgespräche für das Zertifikat vereinbart. Es sind Leute aus ganz unterschiedlichen Fakultäten, die das Zertifikat machen. Jenseits derer, denen wir schon Zertifikat ausgestellt haben, haben wir im Moment noch circa vierzig Studierende, die dabei sind.