Interview mit Dr. Henning Feldmann, Geschäftsführer der Professional School of Education, geführt von Dîlan Sirin Celik
Auf bunten Sesseln, neben einem Tisch mit vielen motivierenden Stickern und Broschüren, warte ich vor dem Büro von Dr. Henning Feldmann, dem Geschäftsführer der Professional School of Education an der Ruhr-Universität in Bochum.
Wir haben uns heute für ein Interview verabredet, in dem er mir mehr über „DiversiTEACH“ erzählen möchte: einem Modul, welches man im Rahmen des Optionalbereichs an der Ruhr-Universität in Bochum studieren kann.
Dîlan Celik: Guten Tag Herr Dr. Feldmann! Vielen Dank, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben, ein Interview mit mir zu führen. Fangen wir von vorne an: Wer sind Sie und was ist „DiversiTEACH“?
Henning Feldmann: Ich bin Henning Feldmann, Geschäftsführer der Professional School of Education hier an der RUB. Wir sind die Dachorganisation für die Lehrer*innenausbildung an der RUB und kümmern uns unter anderem um die Weiterentwicklung der Lehrkräfteausbildung in Bochum. Dazu gehört es, Querschnittsthemen in der Lehrer*innenausbildung aufzugreifen und den Studierenden Angebote zu machen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Themen wie Diversität, Digitalisierung oder Bildung für nachhaltige Entwicklung finden leider aufgrund der strukturellen Vorgaben der Lehrer*innenausbildung nicht den Platz in den Curricula der Fächer und Bildungswissenschaften, den sie verdienen, und dem man seitens der Kolleg*innen sicher sehr gerne nachkommen würde, aber aufgrund eines vollen Studienplans nicht immer kann.
„DiversiTEACH“ ist ein landesweites Förderprogramm des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW, das es schon seit einigen Jahren gibt. Unser Kooperationspartner in dem Programm ist das Netzwerk Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte NRW.
Dîlan Celik: Können nur Studierende, die das Berufsziel Lehramt anstreben, an dem Modul teilnehmen?
Henning Feldmann: Nein, das Modul wird als Berufsfeldpraktikum im Profil Lehramt des Optionalbereichs anerkannt, ist aber grundsätzlich für alle offen.
Dîlan Celik: Sie haben das Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte NRW erwähnt. Können Sie mehr darüber erzählen?
Henning Feldmann: Das Netzwerk ist landesweit aufgestellt. Es ist für uns ein Kooperationspartner, vor allem bei der Frage nach thematischer Fokussierung: Welche Themen sind gerade relevant? Wie wird Diversität in Schule aktuell behandelt und gelebt? Es ist für uns auch ein wichtiger Partner für Lehrmaterial und letztendlich auch für die Personalakquise: Die Lehrbeauftragte, Ruhiye Baran, die das Modul an der RUB durchführt, ist durch das Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte NRW auf uns aufmerksam geworden.
Dîlan Celik: Wünschen Sie sich für „DiversiTEACH“, dass das Projekt eine positive Auswirkung auf den schulischen Kontext hat?
Henning Feldmann: Wir wünschen uns natürlich, dass wir Einfluss darauf nehmen, wie Diversität in Schulen behandelt wird. Die Studierenden machen im Rahmen des Moduls beispielsweise Diversitätsworkshops mit den Schüler*innen der Holzkamp-Gesamtschule in Witten. Wir reden mit Lehrkräften, sind in dem Netzwerk aktiv und können uns auch da immer rund um Diversitätsfragen austauschen und Themen besetzen.
Man kann keinen direkten Einfluss im Sinne von „Wir machen das und erzeugen dadurch den Effekt“ erwarten. Das wird so einfach nicht funktionieren. Aber wenn man so etwas wie „DiversiTEACH“ nicht anböte, würde das Thema Diversität in der Lehrer*innenausbildung und letztlich auch an den Schulen über die Zeit immer mehr verkümmern und in den Hintergrund rücken – und das wäre fatal. Die gesellschaftliche Realität zeigt uns: Die Schulen sind vielfältig! Wenn wir in der Lehrer*innenausbildung so täten, als würden wir keine Vielfalt berücksichtigen, dann liefe da irgendwas schief.
„Ich würde mich freuen, wenn Vielfaltsdimensionen als fachlicher und überfachlicher Gegenstand in der Schule wie selbstverständlich behandelt werden.“ – Henning Feldmann
Dîlan Celik: Im Rahmen von „DiversiTEACH“ kann man also bei Diversitätsworkshops mitmachen. Was kann ich noch erwarten, wenn ich im Optionalbereich das Modul „DiversiTEACH“ belege?
Henning Feldmann: Wenn Sie das Modul belegen, dann laden wir Sie erst zu einer digitalen Einführungsveranstaltung ein, mit unserer Lehrbeauftragten, die im echten Leben hauptamtlich Lehrerin an der Holzkamp-Gesamtschule in Witten ist. Dann ordnen Sie sich in einer kleinen Gruppe einem Thema zu, das Sie besonders interessiert. Es gibt unterschiedliche Vielfaltsdimensionen wie Geschlecht, Gender, Sexualität oder Sprache, die wir alle in dem Modul berücksichtigen möchten. Dann haben Sie eine kleine Arbeitsgruppe und bereiten für die drei darauffolgenden Workshoptage Ihre Arbeit vor. Dabei lernen Sie von den Ergebnissen der anderen Gruppen, stellen Ihre eigenen Sachen vor und haben dann eine möglichst breite Vorstellung davon, wie sich Diversität und Vielfalt im schulischen Kontext manifestiert.
Schließlich gehen Sie in die Schule und planen, beobachten und überlegen, was Sie machen wollen. Sie sprechen sich mit den Lehrkräften vor Ort ab und führen Ihr Projekt durch: Das kann ein Theaterstück, eine digitale Anwendung oder ein Workshop für die Schüler*innen sein. Es geht immer darum, sich mit der Diversitäts- oder Vielfaltsdimension zu befassen, die Sie selbst auch vorbereitet haben.
Dîlan Celik: Die Arbeit rund um Diversität und Vielfalt ist sehr wichtig, aber ich habe das Gefühl, dass „divers sein“ heutzutage zu einem Trend geworden ist. Es gibt Schulen, die schmücken sich mit der offiziellen Bezeichnung „Schule Ohne Rassismus, Schule mit Courage“ und trotzdem passieren dort rassistische Vorfälle. Besteht für Sie bei dem Projekt „DiversiTEACH“ auch die Gefahr, nur ein Trend zu sein?
Henning Feldmann: Erstmal muss ich sagen, dass jegliche Bemühung gegen Rassismus und für Vielfalt zu begrüßen ist, auch wenn dadurch leider nicht ausgeschlossen werden kann, dass Rassismus und Diskriminierung nach wie vor – und vielleicht sogar mit steigendender Tendenz – zum Alltag vieler Schülerinnen und Schüler gehören. Ich glaube schon, dass wir authentisch und in gewisser Weise wirksam sind. Wir haben uns in ein Netzwerk und in einen Kontext von Kolleg*innen begeben, wo ich sagen würde, dass sie alle sehr authentisch und seit vielen Jahren institutionell abgesichert dafür stehen, Vielfalt in Schulen zu vertreten und den Umgang mit Vielfalt als eine Art von Selbstverständlichkeit stark zu etablieren.
Ich denke nicht, dass wir in der Situation sind, uns einem gesellschaftlichen Trend hinzugeben und zu sagen „Ja, wir wollen auch! Irgendwo muss bei uns auch „Vielfalt“ draufstehen“. Unser Fokus ist klar das, was in Schulen vorzufinden ist und wir sind sehr überzeugt von dem, was wir tun. Es ist also kein bloßes Label und ich unterstelle allen Kolleg*innen, mit denen ich in diesem Kontext zusammenarbeite, dass die es ganz genau so sehen.
Dîlan Celik: Vielfalt und Diversität sind sehr große Begriffe. Wenn sich Studierende zu Ihrem Modul anmelden, wie geht man sicher, dass das Beigebrachte auch wirklich umgesetzt wird? Ist das noch Ihr Kontrollbereich?
Henning Feldmann: Nein, das ist es nicht. Da möchte ich auch ehrlich sein: Das ist überhaupt nicht mein Ansatz von universitärer Lehre. Wir können Angebote machen und die Studierenden nehmen sie an. Und dann ist es unsere Aufgabe, dass wir möglichst gute, vieldimensionale Lernangebote und Lerngelegenheiten schaffen. Danach obliegt es den Studierenden, damit das Beste zu machen. Das drückt sich auch darin aus, dass das Modul nicht benotet ist. Ich finde, wenn die Studierenden durch diesen Lernprozess durchgegangen sind, werden sie schon wissen, was sie mit den Inhalten und Kompetenzen, die sie während des Moduls kennengelernt bzw. aufgebaut haben, anzufangen haben.
Dîlan Celik: Würden Sie auch behaupten, dass es Herausforderungen in diesem Modul gibt?
„[…] man muss auch rauskommen aus der Situation, dass man vermeintlich Betroffene zu Akteur*innen – und wenn man so will, auch ein bisschen zu Aktivist*innen – macht.“ – Henning Feldmann
Henning Feldmann: Natürlich, das sind zum Teil emotionale Berührungsthemen, die wir behandeln.
Wenn Sie auf die Teilnehmer*innenliste schauen, haben wir tatsächlich eine gewisse Entwicklung gemacht: Am Anfang waren sehr viele Studierende mit internationalen Familiengeschichten in dem Modul.
Das ist auf der einen Seite natürlich sehr zu begrüßen und in gewisser Weise vielleicht auch nachvollziehbar. Aber: Man muss auch rauskommen aus der Situation, dass man vermeintlich nur die Betroffenen zu Akteur*innen – und wenn man so will, auch ein bisschen zu Aktivist*innen – macht.
Ich freue mich immer sehr, wenn auch die Gruppe selbst immer bunter und vielfältiger wird. Genau deswegen müssen wir immer so ein bisschen aufpassen, dass wir für die Lehrer*innenausbildung ein Thema prägen, was alle interessiert, egal wo sie herkommen, welche Sprache sie sprechen, wen sie lieben oder wie sie sich identifizieren.
Dîlan Celik: Zum Schluss: Was würden Sie Studierenden raten, die am Modul teilnehmen wollen? Welche Vorteile könnte eine Teilnahme an diesem Modul bieten?
Henning Feldmann: Ich finde vor allem den Kontakt mit der Kollegin aus der Praxis spannend, sie macht es halt auch einfach supergut und ist unfassbar zugewandt den Studierenden gegenüber.
Ich finde diesen Ausprobier-Experimentiercharakter ebenfalls besonders. Das Modul ist auch so zurechtgeschnitten, dass die Studierenden gut durchkommen, es gut in ihre Planung einbinden können und trotzdem die Möglichkeit haben, viel für ihr weiteres Studium und ihre spätere Berufstätigkeit mitzunehmen.
Dîlan Celik: Vielen Dank für das Interview!